Zur Sache mit Gabriele Horcher: Ist KI das Next-Big-Thing?

Die Kommunikations-Wissenschaftlerin und Inhaberin einer B2B-Kommunikationsagentur Gabriele Horcher beobachtet seit 30 Jahren den Wandel der Kommunikation. KI hat für sie das Potenzial, einen radikalen Wandel herbeizuführen. Oder ist er bereits in vollem Gange? Das erläutert sie im Interview.


Gabriele Horcher
© Möller-Horcher

Liebe Gabriele, Du hast rund 30 Jahre Erfahrung in der Kommunikationsbranche. Wie kommt es, dass Du Dich derzeit so intensiv mit dem Thema Künstliche Intelligenz auseinandersetzt? Besteht nicht die Gefahr, dass eine KI Dich und andere Kommunikatoren überflüssig macht?

Nein, diese Gefahr besteht nicht. Was Künstliche Intelligenz zurzeit noch nicht kann, ist, Jobs mit unterschiedlichen Tätigkeiten zu ersetzen. Und mein Job ist sehr vielfältig. KIs können allerdings heute schon hochspezialisierte Aufgaben übernehmen – und das besser, schneller und ausdauernder als wir. Das macht Künstliche Intelligenz so interessant für die Kommunikation. In Verbindung mit Smart-Speakern vereinfacht zum Beispiel eine Technologie wie Text-Mining die Informationsbeschaffung enorm. Oder schauen wir uns Google News an. Das Tool aggregiert auf den Nutzer zugeschnittene Informationen – und macht Medien- oder Unternehmensseiten quasi überflüssig. Hinzu kommt, dass Endverbraucher mit KI ganz nebenbei sogar Geld verdienen können: Sie können die Daten, die sie im Internet hinterlassen, sammeln und etwa über BitsaboutMe an werbetreibende Unternehmen verkaufen. Das heißt: Der Nutzer gewinnt die Hoheit über seine eigenen Daten zurück! Das sollte Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf dem Sammeln und Verkaufen von Daten besteht, hellhörig machen – insbesondere in Anbetracht der anstehenden ePrivacy-Verordnung

In Deinen Vorträgen betonst Du, dass Marketing und Vertrieb von KI-basierten Tools profitieren können. Wie lässt sich KI in der Kommunikation sinnvoll einsetzen?

Bevor ich auf konkrete Einsatzszenarien eingehe, möchte ich an Unternehmen appellieren: Kommunikatoren und Marketingexperten müssen verstehen, dass es Anwendern nur um ihren eigenen Vorteil geht. Wenn sie Aufgaben dank KI einfacher und schneller erledigen können, greifen sie darauf zurück. Es gibt in den USA zum Beispiel Google Duplex. Der digitale Assistent vereinbart einen Termin beim Friseur, reserviert einen Tisch im Restaurant und dergleichen – einfach und komfortabel für den Nutzer. 

Beispiele wie dieses müssen sich Unternehmen tagtäglich vor Augen führen. Denn KI hat bereits die Art und Weise der Kommunikation in vielen Firmen verändert. Mitarbeiter nutzen sprachgesteuerte Assistenten, um Informationen schneller zu erhalten. Sie kaufen via Sprache ein oder bearbeiten sogar Grafiken und Fotos mithilfe ihrer Stimme. Funktionen wie Sprache-zu-Text, Text-zu-Sprache und Text-zu-Video machen es möglich. Anwender können mehrseitige Word-Dokumente und sogar ganze PowerPoint-Präsentationen KI-basiert übersetzen oder Gespräche aufzeichnen und verschriftlichen. Kurzum: Wiederkehrende Prozesse mithilfe von Künstlicher Intelligenz zu automatisieren, spart viel Zeit und verbessert den Durchsatz und den Outcome der Kommunikation.

KI kann aber nicht nur repetitive Arbeitsabläufe beschleunigen, sondern auch ganz neue Erkenntnisse bringen. Denn KIs können verschiedenste Aspekte analysieren: das Verhalten der Nutzer in den Social-Media, Stimmmuster, Gesichtsausdrücke oder auch Körpersignale wie Herz- und Atemfrequenz. Algorithmen können heute nicht nur herausfinden, was eine Person in einem bestimmten Moment will. Sie erkennen auch, wie sie sich in diesem Moment fühlt oder wie sie ganz generell tickt. Und dieses Wissen ist für Unternehmen Gold wert. Sie können Kunden sowie Interessenten individuell ansprechen und ihnen passgenaue Angebote zu akzeptablen Preisen unterbreiten.

Was rätst Du Deinen Kunden? Wie sollen sie sich in Anbetracht derart tiefgreifender Veränderungen verhalten?

Unternehmen dürfen nicht denselben Fehler machen wie vor 20 Jahren, als das Internet unser aller privates und berufliches Leben auf den Kopf gestellt hat. Viele Firmen haben zu spät erkannt, dass das Internet kein Trend ist, der wieder verschwindet, sondern eine revolutionäre Technologie, die eine nie zuvor gekannte Markttransparenz schafft. Sie haben es versäumt, die nötigen Veränderungen einzuleiten – und darum nicht nur Marktanteile verloren, sondern auch Umsatz eingebüßt. Wenn man sich nun das disruptive Potenzial von KI vor Augen führt, wird ersichtlich, dass auch in Marketing- und Vertriebsabteilungen ein strategischer Paradigmenwechsel stattfinden muss.

Was bedeutet das für die Praxis? Kommunikatoren und Marketer müssen das geänderte Kauf- und Informationsverhalten kontinuierlich beobachten und daraus neue Kommunikationsstrategien ableiten. Denn Marketing, Vertrieb und Service sind gleich mit zwei Herausforderungen konfrontiert. Zum einen müssen sie in Erfahrung bringen, welche Informationsbedürfnisse bestehen und welche Anwendungen ihre Zielgruppe schon jetzt oder in absehbarer Zukunft einsetzt. Zum anderen müssen sie eigene KI-basierte Kommunikationsansätze entwickeln, die den Anforderungen von Kunden und Interessenten gerecht werden. Denn die großartigste KI-unterstützte Kampagne läuft ins Leere, wenn nicht bekannt ist, welche Informationen die eigene Zielgruppe braucht.

Doch das ist nur der erste Schritt. In Zukunft werden Künstliche Intelligenzen miteinander kommunizieren: Die KI des Anbieters „spricht“ mit der KI des Kunden. Und dafür benötigen sie keine schöne Website, sondern Daten, Zahlen und Fakten. Und zwar in einer Tiefe, Breite und Geschwindigkeit, wie Menschen sie weder verstehen noch zur Verfügung stellen können. Damit die Kommunikation zwischen KIs reibungslos funktioniert, ist nur eine Voraussetzung zu erfüllen: Relevante Daten müssen aktuell, einfach zugänglich und schnell verfügbar sein. Das ist alles! 

Was ist zu tun? Verantwortungsbewusste Unternehmer sollten ihre Marketing- Vertriebs-, Service- und Kommunikationsabteilungen jetzt befähigen, an der Zukunft ihrer Kommunikation zu arbeiten. Zukünftig werden Unternehmen nur dann erfolgreich sein, wenn sie ihr eigenes Verkaufsverhalten an das veränderte Einkaufsverhalten ihrer Zielgruppe angepasst haben. Und das kann nur gelingen, wenn heute genug Ressourcen für die Beobachtung und Analyse von neuen Technologien und Verhaltensänderungen vorhanden sind. Da viele Technologieanbieter kostenfreie Probe-Accounts anbieten, sollten Unternehmen einfach mal mit KI experimentieren, um herauszufinden, welche Prozesse sie KI-gestützt optimieren und damit kundenfreundlicher gestalten könnten. KI ist ein großer Spielplatz für Erwachsene. Also werden Sie wieder zum Kind!

Gabriele Horcher ist Kommunikations-Wissenschaftlerin und geschäftsführende Gesellschafterin der Kommunikationsagentur Möller Horcher in Offenbach (www.moeller-horcher.de). Sie ist Bestseller-Autorin, Vortrags-Rednerin und Expertin für das Thema „Zukunft der Kommunikation“ (www.gabriele-horcher.de). Gabriele Horcher hat ihre unternehmerische Pflicht zu ihrer Leidenschaft gemacht: Seit drei Jahrzehnten beobachtet, analysiert und prognostiziert sie den Wandel der Kommunikation.

Möglichkeit zur Vernetzung: 
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Lesetipp: Auch wenn eine KI keine Gefühle empfinden kann, spielt das Glückshormon Dopamin im B2B-Marketing eine wichtige Rolle. Warum das so ist, zeigt unser Whitepaper „Vermarktung im B2B. Warum dreht sich im Marketing alles um Dopamin?“

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Christian Schmitt
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