Zur Sache mit Ingo Stoll: Warum müssen Podcasts eine Seele haben?

Als selbsternannter „Audiograf“ hat Ingo Stoll eine große Liebe: Podcasts. Der ehemalige Unternehmer, Marketer, Speaker und Moderator beschäftigt sich seit Kindertagen mit dem Medium Audio. Im Zur-Sache-Interview erklärt er, warum Podcasts im B2B-Marketing-Mix nicht fehlen dürfen.


Als neues Medium dürfen Podcasts im B2B-Marketing-Mix nicht fehlen.
© Ingo Stoll

Herr Stoll, Podcasts erleben momentan einen regelrechten Boom – auch im B2B. Firmen können sich nicht nur inhaltlich in branchenspezifischen Podcasts einbringen, sie können auch in ihnen werben – und so ganz neue Zielgruppen erreichen. Warum sollten sich B2B-Marketer ernsthaft mit dem Thema Podcast auseinandersetzen?

Auf die Frage nach dem „Warum“ gibt es eine einfache Antwort: Weil der Podcast das letzte große Medium ist, das noch nicht zum etablierten Standard gehört. Print, Online, Video, Social Media – diese Kanäle machen einen gelungenen Media-Mix aus. Man könnte sagen: Podcasts sind das letzte große Abenteuer im Marketing. Bis dato waren sie ein Nischenmedium. Das ändert sich gerade. Eher über kurz als über lang werden sie sich in das Standard-Repertoire der Marketingkommunikation einreihen. Darum sollten sich B2B-Marketer mit Podcasts beschäftigen – allerdings auf die richtige Art und Weise. Einen eigenen Podcast übers Knie zu brechen, ist sicherlich keine gute Idee. Zunächst gilt es, das Medium kennenzulernen und zu verstehen. Und dann sind da noch die eigenen Ziele, deren Erreichen man durch das Marketing unterstützen will. Schlussendlich lautet die Frage: Passen das Ziel und das Medium Podcast zusammen? Und wer das bejaht, landet unweigerlich bei der nächsten Frage: Welche Stellung soll der Podcast im Marketing-Mix einnehmen?

Nehmen wir als Beispiel einen Chemie-Produzenten – ein klassisches B2B-Unternehmen in einem spezialisierten Marktumfeld. Ein Podcast ist für die Positionierung des Unternehmens gut geeignet: Indem er darin seine Expertise unter Beweis stellt und verschiedene branchenspezifische Aspekte beleuchtet, positioniert sich der Anbieter als führender Spezialist innerhalb seiner Nische. Es ist zum Beispiel eine gute Idee, Interviews mit Experten entlang der kompletten Wertschöpfungskette zu führen, aber auch Mitarbeiter, Kunden und andere Branchen-Akteure zu Wort kommen zu lassen. Mit der Zeit gelingt es dann, über die Inhalte einen Leitanspruch zu formulieren und zum Thought-Leader zu werden. Das wirkt sich nicht zuletzt auf die Neukundenakquise sehr positiv aus.

Was macht einen guten B2B-Podcast aus? Was sollten Unternehmen beachten, wenn sie sich an das Abenteuer Podcast heranwagen?

Zunächst einmal müssen B2B-Unternehmen verstehen, dass es sich bei Audio um ein Beziehungsmedium handelt. Es transportiert nicht nur Inhalte, sondern insbesondere auch Emotionen. Dabei erfolgt der Beziehungsaufbau gleich auf mehreren Ebenen: Der Podcast-Host baut eine Bindung zu seinem Interview-Gast auf, die Hörer gewöhnen sich an die Stimme des Gastgebers – und das passiert, man mag es kaum glauben, schon ab dem zweiten Zuhören. Der Beziehungsaufbau steht und fällt mit der Stimme, mit dem „Wie“. Wenn der Host mit Begeisterung, Überzeugung und Leidenschaft bei der Sache ist, erzeugt das unmittelbar eine große Glaubwürdigkeit beim Zuhörer. Wenn es ihm gelingt, sein Publikum emotional in den Bann zu ziehen, hat er ganz andere Möglichkeiten, die gewünschte Information rüberzubringen – sei sie sachlicher oder werblicher Natur. Hinzu kommt: Es gibt keine visuelle Ablenkung, wie es bei Videos der Fall ist. Die volle Aufmerksamkeit liegt auf der Stimme. Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Podcast ist dann gut, wenn die Inhalte und die Persönlichkeit stimmen. Dann bauen Hörer eine feste Beziehung zu „ihrem“ Podcast auf.

Erst wenn Unternehmen das verinnerlicht haben, ist es an der Zeit, sich formal und inhaltlich mit einem eigenen Podcast auseinanderzusetzen. Unter der Voraussetzung, dass sie ein Ziel formuliert haben – etwa Branchenprimus werden –, und dass ein Podcast auf das Ziel einzahlt, können sie dazu übergehen, sich mit formalen Aspekten zu beschäftigen. Das kürzeste Format ist das Daily: Täglich ausgestrahlt, steht hier die Information im Vordergrund. Aufgrund der Kürze – ein Daily ist nur fünf Minuten lang –, bleibt wenig Zeit für emotionale Beziehungselemente. Bei einem Know-how-Format sieht das anders aus. Indem Unternehmen eine gängige Problematik ihrer Branche aufgreifen und innerhalb von 20 Minuten einen redaktionell aufbereiteten Lösungsansatz präsentieren, können sie sich als Experte und Problemlöser profilieren. Länger, nämlich bis zu 45 Minuten, dauern Interviews mit Fachspezialisten. Hier ist es wichtig, dass der Gast genügend Raum erhält, um das jeweilige Thema in all seinen Facetten zu beleuchten. Nur Interviews mit herausragenden Persönlichkeiten sind noch umfangreicher. In bis zu 60 Minuten ist es möglich, den Geschäftsführer eines renommierten Unternehmens zu portraitieren und seinen Werdegang zu schildern.

So viel zu den Formaten. Ein anderer wichtiger Aspekt ist die Produktion. Hörer erwarten inzwischen eine hohe Professionalität und Qualität. Mein Rat ist: B2B-Unternehmen sollten systematisch vorgehen. Zunächst gilt es, sich über den Inhalt Gedanken zu machen. Unumgänglich ist auch die Anschaffung eines guten Mikrofons, um eine gute Audio-Qualität sicherzustellen. Solche Geräte kosten zwischen 100 und 200 Euro. Die nächste Entscheidung ist: Selbst produzieren oder einen professionellen Dienstleister beauftragen? Und dann wären da noch Schnitt und Postproduktion. Ein glaubwürdiger B2B-Podcast muss handwerklich gut gemacht sein, auch was Anmoderation und Jingle angeht. 

Natürlich könnten Unternehmen die komplette Produktion an einen Profi übergeben. Dann bekommen sie ein handwerklich und technisch einwandfreies Produkt. Was dabei jedoch auf der Strecke bleibt, ist die Seele. Podcast müssen eine Seele haben – auch im B2B. Um authentisch rüberzukommen und die eigene Begeisterung zum Ausdruck zu bringen, sollten Unternehmen ihren Podcast selbst produzieren. Emotion schlägt Professionalität. Ohne Ecken und Kanten ist ein Podcast langweilig, beliebig und austauschbar. Darum meine klare Empfehlung: B2B-Unternehmen sollten sich gutes Equipment anschaffen und das Abenteuer Podcast von innen heraus angehen, etwa indem sie zunächst O-Töne der Mitarbeiter einfangen und aufbereiten. Schließlich geht es um Persönlichkeit. Persönlichkeit ist nicht austauschbar. Ist ein Podcast zu glatt, funktioniert der Beziehungsaufbau nicht. 

Ich bemerke immer wieder, dass Podcast-Neulinge zu viel Angst haben, etwas falsch zu machen oder unprofessionell zu wirken. Diese Sorgen sind unbegründet. Ein Podcast verzeiht Fehler, aber keine Seelenlosigkeit. Also rate ich B2B-Firmen, loszulegen – mit dem richtigen Equipment. Eine schlechte Tonqualität stresst das Ohr und vergrault die Zuhörer. Die nötige Professionalität kommt dann mit der Zeit ganz von allein. „Learning-by-Doing“ lautet die Devise. In diesem Kontext stellt sich die Frage: Welche Mitarbeiter sollen den Podcast produzieren? Üblicherweise lautet die Antwort: das Marketing. Doch vielleicht fühlen sich Marketer vor einem Mikro nicht wohl oder haben nicht die erforderlichen Skills für Produktion und Nachbearbeitung. Unternehmen sollten unvoreingenommen auf ihre Mitarbeiter zugehen und fragen, wer Erfahrung mit Podcasts hat und sich in das Projekt einbringen möchte. Fast immer gibt es Leute, die gerne Podcasts hören oder sogar einen eigenen Podcast haben. Sind diese Mitarbeiter gefunden, braucht es im Prinzip nur noch eines: Ausdauer.

Ja, einen Podcast auf die Beine zu stellen und zu etablieren, kostet Zeit – und damit auch Geld. Das ist nicht mal schnell zwischendurch gemacht. Für die Konzeption braucht es einen Tages-Workshop mit drei bis vier Mitarbeitern. Hier entstehen eine Idee und ein Format. Für einen sanften Einstieg empfehle ich Experten-Interviews. Der Vorteil: Der Host, also das Unternehmen, muss nicht selbst als Spezialist auftreten und kann sich zunächst mit dem neuen Medium vertraut machen. Für die Vorbereitung und Durchführung eines Interviews sind je zwei Stunden anzusetzen, plus vier weitere Stunden für die Postproduktion. Eine Podcast-Folge zu produzieren, dauert also ungefähr einen Personentag. Hinzu kommt die Vermarktung der Folge – in den Social Media, unter Mitarbeitern, Kunden und Partnern. Vielleicht ist eine Grafik zum Teilen zu produzieren oder ein Text zu schreiben. Derartige Promotion-Maßnahmen verursachen weitere zwei Stunden Arbeit. 

Wow, da braucht es viel Einsatz aufseiten des Unternehmens. Wer diese Mühen scheut, kann bestehende Podcasts als Werbekanal nutzen. Warum ist es für B2B-Marketer eine gute Idee, in Podcasts zu werben? 

In Podcasts zu werben, ist gleich aus mehreren Gründen eine Überlegung wert. Da wäre zunächst der relativ günstige Preis – was sich aber ändern wird, wenn Podcasts kein Wachstumsmarkt mehr sind, sondern etablierter Standard. Dann werden auch die Preise anziehen. Unabhängig davon sind Podcasts eine tolle Möglichkeit, die eigene Zielgruppe zu adressieren. Denn wer hört Business-Podcasts? Die Informations-Elite. Diese Branchen-Vordenker haben ein besonders großes Informationsbedürfnis, sie wollen alles ganz genau wissen. Sie zu erreichen, ist unbezahlbar.

Aber Achtung: Einen bestehenden Radio-Spot eins zu eins zu übernehmen, ist keine gute Idee. Denn Emotionen und Beziehungen lassen sich mit einem Standard-Spot kaum aufbauen. B2B-Unternehmen sollten zuerst eruieren, welcher Podcast zu ihnen passt – sowohl thematisch als auch im Hinblick auf dessen Image und Hörerschaft. Ist der Podcast gefunden, sollten sie ihr werbliches Engagement keinesfalls als einmalige Sache betrachten. Steter Tropfen höhlt den Stein – das gilt auch für Podcast-Werbung. Um eine Beziehung zu den Hörern aufzubauen, ist es ratsam, als exklusiver Partner des Podcasts aufzutreten – und das für mindestens drei Monate. Auch empfehle ich, den eigenen Spot immer an derselben Stelle im Podcast zu platzieren, also als Pre-Roll am Anfang, als Mid-Roll in der Mitte oder als Post-Roll am Ende der Folge. Die damit einhergehenden Gewöhnungseffekte aufseiten der Hörer sind nicht zu unterschätzen. Im Idealfall erwarten die Hörer den Spot bereits. Apropos Spot: Damit meine ich keinen fertig produzierten Spot, sondern einen werblichen Hinweis durch den Host. Wenn der renommierte Gastgeber die Produkte und Services seines exklusiven Sponsors in seine eigene Moderation einbettet, erzeugt das ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit. Allein aus diesem Grund sollten Unternehmen Podcasts ernst nehmen – nicht nur als Werbekanal, sondern auch als spannendes neues Medium.

Lieber Herr Stoll, wir danken Ihnen recht herzlich für das aufschlussreiche und leidenschaftliche Interview!

Ingo Stoll zählt zu den digitalen Pionieren Deutschlands. Für sein digitales Engagement und den vom ihm 2008 initiierten Zukunftskongresses „ConventionCamp“ hat er 2011 den LIDA Award als „Leader in the digital Age“ erhalten. Er kann auf über 20 Jahre Erfahrung als Kopf verschiedener Agenturen sowie als Startup-Gründer im E-Commerce, im Bereich von digitalen Workspaces und in der digitalen Marktforschung zurückblicken. Als internationaler Wegbegleiter und Impulsgeber agierte Ingo Stoll als Executive-Coach, freier Berater und Quertreiber in zahlreichen Konzernen und mittelständischen Unternehmen in den Bereichen Digital-Leadership und agile Organisationsentwicklung. 
 
Seine größte Leidenschaft gehört der Audiografie. Mit seinen „Portraits zum Zuhören“ hat er als erster Audiograf Deutschlands ein komplett neues Format begründet. Sein MoTcast (Masters of Transformation Podcast) gehört zu den beliebtesten deutschsprachigen Management-Podcasts für Innovation und Veränderungsimpulse. Im Mai 2020 hat er die weltweit erste Akademie für Audiografie gestartet.


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Übrigens: Haufe hat mit L´Immo einen eigenen B2B-Podcast gelauncht. Hören Sie doch mal rein und machen Sie sich ein Bild davon, wie renommierte Experten in einen Podcast eingebunden werden können.

Worauf es bei klassischen Print- und Online-Anzeigen ankommt, lesen Sie in unserem Leitfaden: Anzeigen im B2B. Was hat die Sesamstraße mit erfolgreicher Anzeigenschaltung zu tun?

Klaus Sturm
Klaus Sturm
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