Zur Sache mit Thomas Koch: Warum ist der Media-Mix wichtig?

Das Marketing ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln – auch weil im Zuge der Digitalisierung immer mehr Kanäle und Touchpoints hinzukommen, die B2B-Werbetreibende mit passgenauen Botschaften bespielen müssen. Wie das gelingt, erläutert Thomas Koch, auch bekannt als „Mister Media“, im Zur-Sache-Interview.


Zur Sache mit Thomas Koch: Warum ist der Media-Mix wichtig?
© Clap Bruchhaus & Ingenweyen

Lieber Thomas, kaum jemand kennt sich so gut in der Werbebranche aus wie Du. Was sind Deines Erachtens die größten Marketing-Irrtümer?

Wo soll ich anfangen? Es gibt so viele Irrtümer im Marketing. Einen habe ich in den letzten Jahren immer wieder beobachtet: B2B-Unternehmen ziehen Gelder aus dem markenbildenden Marketing ab. Davon betroffen sind in erster Linie Print-Medien. Anzeigen in diesen Medien haben schon immer den Markenaufbau unterstützt und ein positives Image befördert. Darauf bewusst zu verzichten und das Budget stattdessen ins Performance-Marketing zu stecken, ist töricht. Klar, viele Marketer versprechen sich davon, dass sie den Nutzen jeder einzelnen Maßnahme detailliert messen können. Aber ganz ehrlich: Viele KPIs sind Unsinn. Ein prominentes B2C-Beispiel ist Adidas. Das Unternehmen hat den Kern seiner starken Marke durch vermeintlich günstiges Online-Marketing verwässert. Auch die Umsätze haben darunter gelitten. Adidas hat leidvoll erfahren müssen, dass Image-Werbung den Abverkauf viel stärker unterstützt als angenommen. Viele ehemals sehr erfolgreiche Consumer-Marken befinden sich übrigens in einer ähnlichen Situation. Doch sie erkennen ihren Fehler und schwenken wieder zurück zur bewährten Image-Werbung.

Digitale Werbung kann Kunden nur dann aktivieren, wenn eine Marke bereits bekannt und vertrauenswürdig ist. Und für den Marken- und Vertrauensaufbau braucht es neben Print-Werbung auch Teilnahmen an Messen und Kongressen, Kontakte zu versierten Vertriebsmitarbeitern und, und, und. All das können digitale Maßnahmen nicht leisten. Und wer dann noch den Fehler begeht, klassisches Marketing durch Online-Marketing zu ersetzen, für den sieht es düster aus. Es ist kein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“. B2B-Unternehmen müssen herausfinden, welcher Kanal welche Vorteile bietet. Generell gilt: Print-Werbung schafft die Basis, während Online-Marketing den potenziellen Kunden letztlich zum Kauf aktiviert. Und klar, durch den Zweiklang von Print und Online wird Marketing teurer. Da dürfen wir uns nichts vormachen. Je mehr Kanäle, desto höher die Kosten. Das ist Fakt. Und Tatsache ist ebenso, dass der B2B deutlich digitaler werden muss.

Nehmen wir das Beispiel eines Händlers von Büromaterial. In diesem umkämpften Markt ist nicht die Marke entscheidend, sondern Faktoren wie Produktvielfalt, Preis und Schnelligkeit. Hier spielen Online-Medien ihre Stärken besonders gut aus. Digital vermittelte Sonderangebote und Rabatte sind ein wirksamer Anreiz für Impulskäufe. Ganz anders gestaltet sich die Situation bei einem Unternehmen wie Heidelberger Druckmaschinen. Die Marketing-Verantwortlichen wissen ganz genau, dass sie ihren Umsatz durch Werbung nicht steigern können. Niemand kauft spontan eine neue Druckpresse, weil er eine schöne Anzeige sieht. Werbung in relevanten Fachmedien wirkt ausschließlich markenbildend: Die Marke und ihre Produkte sind deutsch, traditionell und verlässlich. Das wissen potenzielle Kunden auf der ganzen Welt zu schätzen. Entscheidend für den Abverkauf ist hier der Vertrieb, der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch, der hochgradig vertrauensbildend wirkt.

Dennoch beobachte ich mit Staunen, wie viele B2B-Unternehmen in die Online-Falle tappen. „Made in Germany“, Inbegriff von Qualität, Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit, war in der Vergangenheit das allesentscheidende Erfolgskriterium. Doch in Anbetracht einer zunehmend stärkeren Konkurrenz aus dem Ausland braucht es mehr Kaufargumente. Der B2B-Entscheider ist ein Mensch mit Emotionen – selbst dann, wenn er eine Maschine für mehrere Millionen kauft. Auch B2B-ler müssen Marken vertrauen können. Wie aber werden Marken vertrauenswürdig? Indem sie entweder mit ihren Kunden langfristig zusammenarbeiten oder bereits lange am Markt sind und darum einen guten Namen haben. Der Bekanntheitsgrad ist nämlich eine ganz wesentliche Voraussetzung für Vertrauen. Die eigene Identität zu kennen und entsprechend zu kommunizieren, ist in Anbetracht des asiatischen Bollwerks, das gerade auf die deutsche Wirtschaft zurollt, unverzichtbar. Marken müssen wissen: Wer bin ich? Und was biete ich? B2B-Märkte sind hochgradig kompetitiv. Darum ist Unterscheidung sehr wichtig. Wer das nicht verinnerlicht, sieht alt aus – nicht erst in der fernen Zukunft, sondern vielleicht schon morgen. 

Daneben gibt es einen weiteren Irrtum. Viele Werbetreibende gehen davon aus, dass sie eine größere Werbewirkung erzielen, wenn sie mehr werben. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Je mehr Kanäle, desto geringer die Werbewirkung. Wir Menschen sind permanent von Medien umgeben, wir sind zugedröhnt von Nachrichten aller Art. Pro Tag sind wir mit 10.000 und mehr markenspezifischen Botschaften konfrontiert. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Wirkung nachlässt! Auch nicht darüber, dass der vermeintlich große Werbe-Etat schnell aufgebraucht ist, ohne allzu viel bewirkt zu haben. 

Hinzu kommt: Auch wenn es in deutschen B2B-Unternehmen sehr gute Marketingexperten gibt, die einen hervorragenden Job machen (könnten), werden sie vielerorts nicht gehört. Gründe für diesen Missstand gibt es meines Erachtens zwei: Zum einen hat das Marketing traditionell keinen guten Stand in B2B-Unternehmen, zum anderen nehmen viele Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Kunden nicht ernst. Im Hinblick auf beide Aspekte muss ein Umdenken stattfinden, und zwar schnell. Generationswechsel sind hier eine große Chance – wobei es die Jungen bisher nicht besser machen als ihre Vorgänger. Hier geht es auch um Haltung, die sich im Marketing widerspiegeln muss. Wie positionieren sich Unternehmen zu gesellschaftlichen Reizthemen? Wie nachhaltig sind sie? Wie gehen sie mit ihren Mitarbeitern um. Keine leichte Aufgabe! Und dennoch bleibt im Grunde gar keine Zeit, um sich darüber den Kopf zu zerbrechen, denn der Druck im Marketing ist unglaublich hoch. Ob sie wollen oder nicht, B2B-Unternehmen müssen mehr ins Marketing investieren, sie müssen sich über ihre Budgets und ihre Marketingziele große Gedanken machen. Die Märkte sind global, das ist Fakt. Schauen wir uns asiatische Unternehmen an. Sie haben kein geringeres Ziel, als die Weltherrschaft, und zwar in jedem einzelnen B2B-Markt. Oder den Tesla, als Vorzeige-E-Auto. In einem Markt, der seit jeher das Aushängeschild der deutschen Wirtschaft war. Es besteht ein ganz reelles Risiko, dass wir unsere Bedeutung auf dem Weltmarkt verlieren.

Das klingt ziemlich dramatisch. Was sollen B2B-Unternehmen tun? Wie können sie in Zeiten der Digitalisierung die größte Werbewirkung erzielen?

Ja, die Situation ist tatsächlich dramatisch. Viele Unternehmen wissen einfach nicht, wo sie marketingtechnisch anpacken sollen. Auch wenn ich mich wiederhole. Die Lösung lautet: Media-Mix. Mit jedem zusätzlichen Kanal haben B2B-Unternehmen die Chance, weitere Konsumenten zu erreichen und so die Wirkung ihrer Kampagne zu steigern. Um verschiedene Botschaften an den Mann und an die Frau zu bringen, braucht es den jeweils passenden Kanal. Andernfalls ist es unmöglich, aus der Masse hervorzustechen. Das ist aber alles gar nicht so leicht. B2B-ler müssen akribisch analysieren, wo ihre Schwachstellen liegen: Fehlt ihrer Marke Vertrauen? Oder ist sie nicht bekannt genug? Je nachdem, wie die Analyse ausfällt, geht es dann darum, an der entsprechenden Stelle im Sales-Funnel anzusetzen. Und daraus wiederum die passenden Medien, Kanäle und Maßnahmen abzuleiten. Um das Image aufzupolieren, ist es mit Facebook Ads nicht getan. Hier braucht es die ganz große Print-Kampagne. Um Auslaufmodelle von Maschinen abzuverkaufen, kann es durchaus zielführend sein, Online-Anzeigen auf relevanten Fachportalen zu schalten. Es kommt eben immer auf das Ziel an. Ein Kanal ist nicht per se gut oder schlecht für ein Unternehmen geeignet.

B2B-Unternehmen scheinen vor einer wahrhaft monumentalen Herausforderung zu stehen. Können sie sich dabei denn am B2C orientieren?

Definitiv! B2B-Unternehmen sind gut beraten, den B2C genau zu beobachten. In Sachen Haltung, Media-Mix und Messung der Werbewirkung ist der B2C Lichtjahre voraus. Auch was Customer-Centricity angeht, gibt es im B2B deutlichen Nachholbedarf. Nehmen wir einen erfolgreichen Konzern wie Procter and Gamble. Seit nunmehr 20 Jahren orientiert sich das Unternehmen mit einer bemerkenswerten Radikalität an den Bedürfnissen seiner Kunden, bei jedem einzelnen Produkt. Auch das ist eine Frage der Haltung. Von einer derartigen Kundenfokussierung ist der B2B meilenweit entfernt. Stattdessen beobachte ich hier nach wie vor Ego-Posting. Die kommunizierten USPs beziehen sich ausschließlich auf die eigenen Produkte und Services. Meine Maschine ist schneller und damit wirtschaftlicher. Doch das interessiert potenzielle Kunden im Zweifel überhaupt nicht. Für sie können ganz andere Aspekte ausschlaggebend sein. Nehmen wir noch einmal das „Made in Germany“-Label. Anstatt zu kommunizieren, dass eine Maschine zuverlässig und langlebig ist, muss das Marketing umdenken und sich in die Situation des Anwenders hineinversetzen. Was hat ein Produktionsleiter davon, wenn seine Maschine schneller arbeitet und nicht kaputt geht? Er kann den Feierabend mit seiner Familie verbringen! Das ist es, was ihn interessiert, und keine DIN-Normen. 

Wer das verinnerlicht, kann ganz leicht mit seiner Zielgruppe kommunizieren. Denn B2B-Unternehmen haben einen großen Vorteil, der vielen überhaupt nicht bewusst ist. Die Zielgruppe ist eng umrissen, oftmals sogar bekannt – und zwar persönlich. Man kennt sich von Messen, Kongressen und Vertriebsterminen. Warum fragen Unternehmen nicht einfach ihre Kunden, was sie sich von ihnen wünschen? Erfahrungsgemäß erhalten jene, die das tun, fachkundige und damit sehr wertvolle Auskünfte. Denn B2B-Unternehmen haben es mit Experten zu tun, die genau wissen, was sie wollen, die die Probleme in ihrem Unternehmen aus dem Effeff kennen. Darum mein abschließender Appell: Treten Sie in den Dialog mit Ihrer Zielgruppe! Marketing ist ein Gefühl. Und die Emotionen seiner Kunden kennt nur, wer sie danach fragt!

Lieber Thomas, vielen Dank für das Interview und Deine offenen Worte!

Thomas Koch (67) ist seit 47 Jahren im Media-Business tätig. Vierzehn Jahre verbrachte der Mediaplaner zunächst in namhaften Werbeagenturen, u. a. als Media-Chef bei GGK in Düsseldorf und Ted Bates Worldwide in Frankfurt. 1987 machte er sich mit „thomaskochmedia“ (tkm) in Düsseldorf selbständig. tkm wurde zur größten unabhängigen Mediaagentur Deutschlands. 2002 fusionierte er als CEO seine Agentur mit Starcom zu tkmStarcom – und damit zur siebtgrößten Mediaagentur des Landes. Nachdem Thomas Koch die Agentur 2007 verlassen hatte, stieg er 2008 in die Geschäftsleitung der unabhängigen Mediaagentur Crossmedia in Düsseldorf ein. 2010 war er Mitgründer von Plural Media Services in Berlin, die regierungsunabhängige Medien in Krisengebieten unterstützt. Seit 2011 berät Thomas Koch mit seiner Beratungsfirma tk-one Unternehmen, Medienhäuser und Agenturen. Im Herbst 2017 gründet er The DOOH Consultancy als erste Mediaagentur, die sich auf das neue Trendmedium Digital-Out-of-Home spezialisiert hat. 

Thomas Koch ist seit Jahren regelmäßiger Kolumnist für Wirtschaftswoche und Werben&Verkaufen. Er ist Autor der Bücher „Werbung nervt!“, „The Media Business For Pioneers“ und „Die Zielgruppe sind auch nur Menschen“. Capital bezeichnete Thomas Koch 1995 als „Profiliertesten Vordenker der deutschen Werbung“. 2004 nahm ihn Media & Marketing Europe in die Galerie der 15 Personen auf, die die europäische Werbebranche am meisten bewegt haben – zusammen mit Maurice Levy, Rupert Murdoch und Sir Martin Sorrell. 2008 wurde er beim zehnjährigen Jubiläum des Deutschen Mediapreises zur Mediapersönlichkeit des Jahres gewählt. 2011 erhielt Thomas Koch für sein Engagement in Krisengebieten von der Jury des SignsAwards die Auszeichnung als „Zeichensetzer“. 


Wie Sie Ihre B2B-Zielgruppen erreichen können, erfahren Sie in unserem Whitepaper: Werbeformen im B2B-Marketing Was hat erfolgreiches Marketing mit der Schifffahrt zu tun?

Eine Übersicht der wichtigsten analogen und digitalen Werbeformen gibt es in unserem Media Center.

Christian Schmitt
Christian Schmitt
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Director Media Sales

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