#FEHLERausradieren: Warum muss Kommunikation in Krisenzeiten authentisch sein?

Die Corona-Pandemie ist nicht überwunden und schon ist die nächste Krise da. Die Geschehnisse in der Ukraine lösen vielerorts Verunsicherung und sogar existentielle Ängste aus. Für Marketer stellt sich die Frage, wie sie derzeit kommunizieren sollten. Worauf es ankommt, damit #FEHLERausradieren und #BESSERwerden gelingen, erläutert Julia Schreiber, Teamleiterin Consulting bei Möller Horcher Kommunikation, im Interview.


Kommunikation in der Krise – ja oder nein? | Haufe Group
© Möller Horcher Kommunikation

Liebe Julia, die momentanen Ereignisse lassen sicherlich auch Dich als Kommunikationsprofi sprachlos. Was empfiehlst Du Deinen B2B-Kunden?

Ja, das stimmt natürlich. Wir haben bei Möller Horcher Kommunikation tatsächlich diskutiert, was wir unseren Kunden hinsichtlich ihrer Kommunikation momentan raten sollten: Pausieren und erst einmal gar nichts tun? Oder die Unternehmenskommunikation auf die Krise hin ausrichten? Leider gibt es kein klares Ja oder Nein, kein Richtig oder Falsch. Die Entscheidung muss jedes Unternehmen für sich treffen. Wir können lediglich Empfehlungen aussprechen.

Also rätst Du zur Zurückhaltung?

Das Wichtigste ist, dass Unternehmen insbesondere in Krisenzeiten authentisch, ehrlich und nachvollziehbar kommunizieren – ganz gleich, in welchem Kanal. Das gilt sowohl für die interne als auch die externe Kommunikation. Und ja, zurzeit sollten sie dabei etwas sensibler und vorsichtiger sein als sonst. Schließlich lauern momentan noch mehr Stolperfallen als üblicherweise.

Was können Unternehmen tun, damit sie gerade nicht in diese Stolperfallen geraten? 

Wir raten Unternehmen dazu, zu analysieren, wie stark sie selbst betroffen sind, also eine Art Bestandsaufnahme durchzuführen. Drei Fragen, die wir unseren Kunden stellen, um das herauszufinden, wären beispielsweise, ob sie mit Kunden, Partnern, Dienstleistern oder Zulieferern in der Ukraine, in den angrenzenden Ländern oder in Russland zusammenarbeiten. Ob ihre Kunden dies tun. Und ob es Mitarbeitende in oder aus den betroffenen Gebieten gibt. Je nachdem, auf welchen Wegen – und wie stark – sich die Entwicklungen in der Ukraine auf Firmen auswirken, sollten sie ihre Kommunikationsmaßnahmen entsprechend ausrichten. Außerdem empfehlen wir, die Kommunikationsinhalte und -kanäle einem kritischen Blick zu unterziehen. 

Lässt sich daraus schließen, dass Unternehmen, die keine Deiner Fragen bejahen, so weitermachen können wie bisher?

Angesichts der globalen Betroffenheit muss ich das deutlich verneinen. Ich erkläre das gern am Beispiel von Grafiken und Emojis. Gerade bei Social-Media-Posts oder auch im Betreff von Newslettern und Mailings arbeiten Unternehmen gern mit aufmerksamkeitsstarken Emojis und Bildern. Wir selbst hatten für unseren Neujahrs-Newsletter ein Raketen-Emoji verwendet, um den energiegeladenen Start ins neue Jahr zu visualisieren. Zurzeit wäre dies jedoch schlicht geschmacklos – übrigens auch für Organisationen, bei denen kein Bezug zu betroffenen Regionen oder Personen besteht. Dasselbe gilt für die Website, für Werbe-Banner und ähnliches. Daneben sind Unternehmen gut beraten, ebenso hinsichtlich der verwendeten Farben im Moment mit Vorsicht zu agieren. So könnten die Farbkombinationen blau/gelb sowie weiß/blau/rot unfreiwillige Assoziationen beim Betrachter auslösen, er könnte sie als Positionierung wahrnehmen – ohne dass dies beabsichtigt ist. 

Vorsichtig zu sein, gilt mittlerweile auch beim Buchstaben „Z”. Dieser hatte sich bereits nach wenigen Tagen als Symbol der russischen Armee in den Medien weltweit etabliert. Er gilt nunmehr als offizielles Zeichen, das eine Befürwortung der Kreml-Strategie ausdrückt. Dies wurde mit Beginn der Krise einem tschechischen Sportclub zum Verhängnis, der seit Sommer 2021 eine neue Kommunikationsstrategie und – damit einhergehend – eine visuelle Marketing-Kampagne rund um das aufmerksamkeitsstarke Visual „amaZing race” umsetzt. Dabei sind alle Marketing-Materialien – von Plakaten über Posts bis hin zu Broschüren und Videos – mit diesem visuell hervortretenden und aufmerksamkeitsstarken „Z” versehen. Selbstverständlich hat der Sportclub sofort reagiert. Er hat alle Plakate verändert, bestimmte Social-Media-Posts gelöscht oder Bilder ausgetauscht und die gesamte, viele Monate lang konzipierte Kampagne an die aktuelle Situation angepasst. 

Dein aktuelles Beispiel zeigt: Social-Media-Posts und -Kampagnen sind langfristig geplant. Sollten Unternehmen jetzt von motivierenden Frühjahrs- oder heiteren Osterbotschaften Abstand nehmen? 

Gänzlich verzichten sollte man auf positive Impulse sicher nicht. Denn sie zeigen, dass wir in Verbindung bleiben – auch in Krisen, deren Dauer und Ausgang nicht absehbar sind. Von spaßigen Karnevalsimpulsen hätte ich in den vergangenen Wochen, also an den ersten Tagen der Krise, doch lieber abgeraten. Es bleibt eine thematische und kundenspezifische Entscheidung, ob man angedachte Social-Media-Posts oder geplante Kampagnen aussetzt, verschiebt oder anpasst, damit sie in der Tonalität angemessen bleiben. Das Gleiche gilt im Übrigen für Anzeigen- oder Smart-Social-Selling-Kampagnen. Es ist zu überprüfen, ob die Stimmung bei der eigenen Zielgruppe auf „the show must go on“ steht oder ob sie ein „business as usual“ als unpassend empfindet. Hier empfiehlt es sich beispielsweise, eine laufende Lead-Generierungs-Kampagne anzupassen, also den Druck herausrauszunehmen und gegebenenfalls einen Zwischenschritt in der Kontaktstrecke einzufügen. Manchmal genügt es bereits, einen Text umzuformulieren. Entscheidend ist, die Reaktionen der Zielgruppen zu beobachten und die Kampagnen nicht als gesetzt zu betrachten. 

Wie wirkt sich das auf die Pressearbeit in B2B-Fachmedien aus?

Es gibt kein gutes Timing für Katastrophen. Sie sprengen, torpedieren, zerschießen – und allein bei diesen Begriffen zucken wir zusammen – die Stimmung jedes noch so liebevoll von langer Hand geplanten Events. Ob eine solche Situation mit einem akribisch vorbereiteten Produkt-Launch oder einer Neukunden Meldung zusammenfällt, lässt sich nicht vorhersehen. Aber eine Fachmedien-Kampagne ist nicht darauf ausgelegt, dass an einem einzigen Tag alle über das jeweilige Thema berichten und es nach dem Stichtag abgehakt ist. Dafür ist die B2B-Medienlandschaft viel zu heterogen – mit Online und Print, mit täglichen, wöchentlichen, monatlichen und Quartals-Publikationen. Hier können Unternehmen weiterhin ihre fachlichen (!) Inhalte platzieren.

Du hast die Betroffenheit von Unternehmen angesprochen. Was ist für die interne Kommunikation wichtig?

Hierbei sollten Firmen nicht warten! Niemand kann genau abschätzen, wie sich die Situation in den nächsten Wochen und Monaten weiterentwickeln oder welche Auswirkungen sie auf Unternehmen und deren Belegschaft haben wird. Trotzdem hat es keinen Sinn, mit der internen Kommunikation zu warten. So zeigt man, dass man die Situation und die Ängste der Mitarbeitenden ernst nimmt. Je nachdem, wie stark die Belegschaft betroffen ist, lässt sich eine Plattform für den Austausch schaffen oder konkrete Hilfen anbieten. Ein positives Signal kann zum Beispiel auch darin bestehen, für humanitäre Hilfsorganisationen zu spenden.

Damit bezieht ein Unternehmen aktiv Stellung. Gehört das in die Kommunikation gegenüber dem Kunden?

Diese Frage haben wir uns auch gestellt. Wie sinnvoll ist ein Beitrag zu diesem Thema in Mailings oder Newslettern? Wenn Kunden, Partner, Dienstleister und Zulieferer betroffen sind, auf jeden Fall. Existieren keine unmittelbaren Berührungspunkte – dann eher nicht. Eine Solidaritätsbekundung ist positiv, Effekthascherei wäre es nicht. Unter Umständen ist sogar die direkte Kommunikation über Telefon oder Web-Meeting der bessere Kommunikationskanal, um mit Kunden und Partnern über die schwierige Situation zu sprechen. Bleibt noch, die Kommunikation über Websites und Blogs zu betrachten. 

Immerhin thematisieren wir das Ganze hier!

Genau! Weil wir wissen, dass es sehr schwer ist, in einer derart krisenhaften Zeit kommunikativ alles richtig zu machen. Viel wichtiger als die Inhalte in den verschiedenen Kanälen ist es, wachsam zu sein und schnell zu reagieren. Das Ziel sollte immer sein, authentisch, ehrlich und für die Anspruchsgruppen nachvollziehbar zu kommunizieren. Wenn man Messages, Texte, Bilder, Farben und Kommunikationsmaßnahmen in der nächsten Zeit einfühlsam und mit Bedacht auf die Ukraine, Russland und andere betroffene Regionen auswählt, hat man schon vieles richtig gemacht. Vergessen wir ebenfalls nicht, dass es in jeder Krise einen Lichtblick braucht. Bleiben wir also in unserer Kommunikation positiv und zuversichtlich. Das ist es, was Menschen in schweren Zeiten Hoffnung gibt. 

Liebe Julia, wir danken Dir für das Gespräch und Deine Einschätzung aus kommunikativer Perspektive.

Julia Schreiber ist Teamleiterin Consulting und Senior Consultant bei der Möller Horcher Kommunikation GmbH. Die Diplom-Betriebswirtin ist seit 2012 bei Möller Horcher Kommunikation beschäftigt. Seit über 20 Jahren betreut die Agentur IT- und Hightech-Unternehmen aus dem B2B-Sektor bei ihrer internen und externen Kommunikation in den verschiedenen Kanälen. 

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Christian Schmitt
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