Zur Sache mit Tobias Fruh: Ist Videokommunikation sinnvoll?

Und Action! Vier Milliarden tägliche Videoaufrufe auf YouTube können nicht lügen: Nutzer lieben Videos. Höchste Zeit, dass auch B2B-Unternehmen Videos produzieren. Im Zur-Sache-Interview erklärt Tobias Fruh, Pressesprecher von Volkswagen Immobilien (VWI), warum Video-Content im B2B unverzichtbar ist.


Zur Sache mit Tobias Fruh: Ist Videokommunikation sinnvoll?
© Stefan Uckelmann

Herr Fruh, als ehemaliger TV-Journalist sind Videoproduktionen für Sie eine richtige Herzensangelegenheit. Aber was macht Videos eigentlich so attraktiv?

Videos sind ein fester Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Mit dem Siegeszug des Internets haben sie eine rasante Entwicklung erfahren. Heute gibt es eine Vielzahl an neuen, teilweise smarten Kanälen und Plattformen für Video-Content. Videos sind beliebter denn je. Bereits auf den Medientagen München 2017 verkündete Hannes Ametsreiter, Geschäftsführer von Vodafone Deutschland und Unitymedia, dass sich das Handynetz in absehbarer Zeit zum Videonetz transformieren wird. Ich denke, seine Prognose ist längst Realität. 5G macht es möglich. Seine Leistungsstärke erlaubt es, hochauflösende Videos ruckelfrei, bei einer Datenübertragungsrate von bis zu zehn Gigabyte, abzuspielen. Zugleich hat sich das Nutzerverhalten verändert. Das Smartphone hat uns digital konditioniert. Jeder kennt es: Eine der ersten Handlungen nach dem Aufstehen ist der Griff nach dem Smartphone. Es ist nicht nur unser steter Begleiter, sondern verschafft uns eine ungeahnte Flexibilität. Vorbei sind die Zeiten von linearem TV. Nutzer wollen sofort schauen und sich eine individuelle Playlist zusammenstellen. Dieser Entwicklung muss sich die TV-Branche stellen. Sie ist sich der wachsenden Konkurrenz aus dem Netz bewusst und reagiert mit Mediatheken, in denen zumeist auch Live-Inhalte oder eigens dafür produzierte Formate verfügbar sind. Ebenso lässt sich neurologisch erklären, warum Videos besonders attraktiv sind. Sie erreichen den Nutzer sofort und wirken dadurch besser und schneller als Texte. Gleichzeitig haben Videos einen Nachteil: Die gesehenen Themen lassen sich schlechter verarbeiten und bleiben dadurch kürzer im Gedächtnis – ein kleiner Wermutstropfen, der sich aber verkraften lässt. Denn Videos sind für mich einfach die kommunikative Königdisziplin, die audiovisuelle Elemente mit informativem (Sprecher-)Text verbindet und bewegende Erlebnisse schafft, wie einst vor 50 Jahren die weltweite Übertragung der Mondlandung von Apollo 11 und Neil Armstrong.

Das Schöne am Fortschritt in Sachen Video ist, dass Videotechnik heutzutage bezahlbar, mobil und zunehmend leichter bedienbar ist. An vielen Stellen übernehmen professionelle Dienstleister zwar die Produktion von Image-, Event- und Werbefilmen. Alltägliche Videos, zum Beispiel für Social-Media–Kanäle, können Unternehmen allerdings durchaus selbst produzieren. Viele Menschen verfügen von Haus aus über eine elaborierte Medienkompetenz, der sie sich oftmals gar nicht bewusst sind. Jeder macht privat Bilder und Videos, viele übertragen diese Fähigkeiten jedoch nicht in den beruflichen Kontext. Ich bin davon überzeugt, dass in jedem von uns ein Regisseur und ein Produzent steckt. Umso mehr möchte ich B2B-Unternehmen dazu ermutigen, kleine Low-Budget-Produktionen selbst in die Hand zu nehmen. Sie können mit überschaubarem Aufwand eine große Wirkung und Reichweite erzielen.

Ihr Appell als ehemaliger TV-Journalist ist nachvollziehbar. Viele B2B-Unternehmen wissen jedoch nicht so recht, wie sie mit der Videoproduktion anfangen sollen. Was raten Sie diesen Unternehmen?

Im Prinzip geht es darum, einfach loszulegen und erste kleine Projekte umzusetzen. Aus meiner Erfahrung gibt es acht Faktoren, die den Erfolg von Videoproduktionen ausmachen.

Erstens: Die Relevanz. Unternehmen müssen ihre Zielgruppe kennen und dafür sorgen, dass ihr Content auffindbar ist. Um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und eine große Reichweite zu erzielen, sollten B2B-ler nicht davor zurückschrecken, auch mal in Paid-Content zu investieren. Natürlich immer unter der Prämisse, Mehrwerte zu schaffen, das heißt die Unternehmensbotschaften mit den Bedürfnissen der Zielgruppe zu vereinen.

Zweitens: Das Timing. Das sollten Unternehmen gleich doppelt im Blick behalten. Einerseits, indem sie die Aktualität der Inhalte und begleitende Ereignisse bei der Veröffentlichung berücksichtigen. Und andererseits dadurch, dass sie auf die Länge der Videos achten. Hierbei gilt die Faustregel: Videos für die Social-Media sollten grundsätzlich maximal anderthalb Minuten, Erklärvideos für die Unternehmenswebsite in der Regel nicht länger als drei Minuten sein. Generell empfiehlt es sich, separate Versionen für Social-Media–Plattformen und für die Website zu erstellen.

Drittens: Die Verständlichkeit. Videos brauchen klare Kernbotschaften, keine endlosen Statements. Je verständlicher der Content, desto besser nehmen Verbraucher ihn an und sind bereit, ihn zu teilen.

Viertens: Die Authentizität. Der Protagonist muss authentisch sein. Sein Auftritt darf nicht gestelzt wirken. Denn die Zielgruppe spürt genau, ob der Protagonist ihr nur etwas vorspielt oder ob er wirklich hinter einer Aussage steht. Das beschäftigt heutzutage viele Influencer, die häufig darauf angewiesen sind, unabhängig und damit glaubwürdig zu agieren.

Fünftens: Der Infotainment-Charakter. Guter Content sollte einem visuell aufregenden Erlebnis gleichen, das sowohl informiert als auch unterhält.

Sechstens: Die Zielgruppe. Die Inhalte müssen zur Zielgruppe passen. Unternehmen müssen im Vorfeld analysieren, wen sie mit welchem Kommunikationskanal erreichen wollen und können. Eine Fanbase aufzubauen, braucht regelmäßige Pflege und Zeit. Unternehmen tun daher gut daran, wenn sie sich in Geduld üben und regelmäßig Videos veröffentlichen. Zudem bietet es sich an, Synergien zu nutzen, wie etwa Content zu recyceln und bestehende Inhalte in weiteren Kanälen auszuspielen.

Siebtens: Die Auswahl der Kanäle. Diese sollte bereits vor der Produktion erfolgen. Die fertigen Videos lediglich online zu stellen, genügt in der Regel nicht. Wichtig ist, dass die einzelnen Kanäle gut miteinander verknüpft und auch Paid-Kanäle im Mediabudget berücksichtigt sind.

Achtens: Die Leidenschaft. Produzieren macht Spaß. Just do it!

Okay, dann kann bei der Videoproduktion doch eigentlich nichts mehr schief gehen. Gibt es weitere Aspekte, die B2B-Unternehmen bei der Videoproduktion berücksichtigen sollten?

Ja, die gibt es – und zwar vor, während und nach der Produktion. Eine gute Vorbereitung beginnt immer damit, ein Storyboard zu erstellen, in dem man das Wunschergebnis bereits im persönlichen Kopfkino abgespielt hat und klar ist, wie der Film am Ende aussehen soll. Aufmerksamkeitsstarke Botschaften, wie etwa plakative Statements, sollten die Produzenten bei der Konzeption für den Videoanfang einplanen. Denn wie eine Studie von Microsoft aus Kanada gezeigt hat, ist unsere Aufmerksamkeitsspanne angeblich geringer als die eines Goldfischs. Diese These wird inzwischen kontrovers diskutiert, erscheint mir aber durchaus plausibel, da wir selektiver und schneller im heutigen Medienangebot agieren müssen, um Informationen aufzunehmen. 

Steht der Inhalt des Videos, geht es an die Auswahl der Protagonisten und Drehorte. Sowohl von den Protagonisten als auch für die Drehorte, beispielsweise private Gebäude, Plätze und Grundstücke, aber auch für öffentliche Bereiche, müssen Unternehmen vorab ein schriftliches Einverständnis beziehungsweise eine Genehmigung einholen. Ein weiteres Augenmerk gilt der Musikauswahl: Die Nutzungs- und Urheberrechte können einen Knackpunkt darstellen. Ich empfehle daher, sich eine eigene Datenbank mit GEMA-freier Musik aufzubauen. Mindestens genauso wichtig ist ein konkreter Zeitplan, in dem die Produktionsverantwortlichen Drehtage und Freigaben festhalten. Hierbei sollte es jedoch nicht Sinn und Zweck sein, dass die Geschäftsführung erst jedes noch so kleine Video für die Social-Media vor dem Upload absegnet. An dieser Stelle plädiere ich eindeutig für mehr Vertrauen auf Seiten der Führungsetage.

Bei der Durchführung ist es meines Erachtens unerlässlich, einen Verantwortlichen auszuwählen, der den Dreh koordiniert und sämtliche Unterlagen am Set dabeihat. Wichtig ist zudem, alle Requisiten mitzunehmen und eine filmgerechte Infrastruktur am Drehort zu schaffen – dazu gehören zum Beispiel aufgeladene Powerbanks, falls mal ein Akku keinen Saft mehr hat. Die Produzenten sollten außerdem einen Kleider-Check bei den Protagonisten und Statisten durchführen und sich nicht davor scheuen, sie auf Peinlichkeiten, beispielsweise Flecken oder schief sitzende Krawatten, anzusprechen. Ebenso rate ich dringend dazu, einen professionellen Maskenbildner am Set zu haben. Dieser kann wichtige Statementgeber abpudern, sollten sie bei ihrem Auftritt vor der Kamera ins Schwitzen kommen. Gleichermaßen ist es ratsam, die Zwischenergebnisse zu prüfen und die Aufnahme von Statements im Zweifel zu wiederholen. Nicht zuletzt empfehle ich, genügend Pausen einzuplanen, unter anderem für Drehortwechsel, und für ausreichend Verpflegung zu sorgen. 

Ist das komplette Video im Kasten, folgt die Postproduktion. Arbeiten Unternehmen mit einem Dienstleister zusammen, sollten sie unter anderem berücksichtigen, wie viele Korrekturschleifen im Angebot inbegriffen sind. In der Regel steht und fällt diese Frage mit dem Budget. Nach meiner Erfahrung lohnt es sich, das Ergebnis unbeteiligten Dritten zu zeigen. Sie sind die beste Jury, wenn es darum geht, Videos auf ihre Verständlichkeit und Überzeugungskraft hin zu beurteilen. Zudem sollte aus dem Video hervorgehen, wer der Absender ist. Hierfür bietet es sich an, am Bildrand das (Sende-)Logo des jeweiligen Unternehmens zu platzieren oder es im Abspann zu nennen. Auch die Formatauswahl ist bei der Postproduktion zu bedenken. Möchte ich das Video auf Mobilgeräten abspielen, entscheide ich mich beispielsweise nicht für ein hochauflösendes 4K-Format. Und zu guter Letzt sollte man passende Kanäle und Plattformen auswählen. Dann kann im Prinzip nichts mehr schiefgehen.

Herr Fruh, vielen Dank für das inspirierende Gespräch!

Tobias Fruh ist ehemaliger TV-Journalist mit einer Liebe für Videoproduktionen. Seit 2011 ist er als Pressesprecher bei der Volkswagen Immobilien GmbH tätig und verantwortet darüber hinaus seit Juni 2019 als stellvertretender Leiter den Bereich Marketing & Kommunikation. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in der strategischen und operativen externen Unternehmenskommunikation sowie der Mieterkommunikation. Zuvor war er als Redakteur, Moderator und stellvertretender Redaktionsleiter in Wolfsburg und Hannover für das Schulungs- und Qualifizierungsmedium Volkswagen TV tätig.
 

Ausführliche Informationen, wertvolle Tipps und Handlungsempfehlungen zum Thema Content-Marketing im B2B finden Sie in unserem kostenlosen Leitfaden.

Christian Schmitt
Christian Schmitt
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