#FEHLERausradieren: Warum braucht es mehr Selbstreflexion im Business?

Die Corona-Pandemie hat den Trend hin zu New-Work-Konzepten beschleunigt. Als Geschäftsführer der Sparte Tax & Tax Consultants bei der Haufe Group hat sich Björn Waide diesem Thema voll und ganz verschrieben. Im Interview schildert er, warum #FEHLERausradieren und #BESSERwerden im Hinblick auf die Gestaltung der eigenen Lebens- und Arbeitsumstände so wichtig sind und welche Rolle Selbstreflexion dabei spielt.


#FEHLERausradieren: Warum braucht es mehr Selbstreflexion im Business? | Haufe Group
© Kevin Muenkel

Lieber Björn, einen Manager stellt man sich gern als Menschen vor, der von Meeting zu Meeting hetzt, einen Termin nach dem anderen wahrnimmt und bis spät in die Nacht arbeitet – also als Person, die der beruflichen Karriere alles andere unterordnet. Warum hast Du Dich für einen anderen Weg entschieden?

Wer nur Karriere macht, verpasst zu viel vom Leben. Ich versuche mir immer wieder bewusst zu überlegen, was ich wirklich, wirklich machen will – und vor allem wie. Neue Perspektiven bekomme ich dabei, indem ich Bücher lese oder Gespräche führe. Die wichtigste Erkenntnis ist, dass bei allen Impulsen von außen am Ende entscheidend ist, was man selbst daraus macht. Anders gesagt: Ich musste lernen, mich selbst zu führen, um andere führen zu können.

Wie kann man sich diesen Prozess vorstellen?

Um es direkt mit einem Beispiel zu verdeutlichen, das sicher viele nachfühlen können: Früher saß ich oft beim Abendbrot am Tisch und war gedanklich ganz woanders. Nicht, weil ich Stress oder Druck gespürt habe, sondern weil ich einfach viel über alle möglichen Dinge oder Ideen nachdenke – und sie teilweise zerdenke. Oftmals aber eben zu Unzeiten. Meine gedankliche Abwesenheit hat erst meine Familie und dann auch mich gestört – schließlich geht für alle wertvolle Zeit des Zusammenseins verloren.

Eine Erkenntnis, die sicherlich schmerzhaft war. Was hast Du dann getan?

Ich habe mich, mein Familien- und Berufsleben einer kritischen Selbstreflexion unterzogen. Passenderweise hatte ich über dieses Thema zu der Zeit schon viel gelesen, das Gelesene aber nie selbst angewendet. Der grundlegende Gedanke: Um im Zusammenleben und in der Zusammenarbeit mit anderen die bestmögliche Version seiner selbst zu sein, braucht jede:r Zeit für sich. Freiräume, um zu tun und zu denken, was an anderen Stellen nur ablenkt. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt, morgens um 5:30 Uhr aufzustehen. In der gewonnenen Zeit tue ich Dinge, die mir wichtig sind: Sport treiben, ein Buch lesen, Schach spielen. Inzwischen freue ich mich sogar darauf, am frühen Morgen ein neues „Projekt“ in Angriff zu nehmen. Etwas gewöhnungsbedürftig für meine Kolleg:innen war sicher, dass ich seitdem meine Mittagspause allein verbringe. Nicht, weil ich nicht gern gemeinsam mit anderen esse, sondern weil ich diese Pause als kleines Zeitfenster am Tag nutze, in dem ich meine Gedanken sortiere, Aufgaben durchdenke und kurz durchatme. Dafür steht den Rest des Tages meine Tür für alle offen.

Wie ist es Dir gelungen, diese Freiräume in Deinen Alltag zu integrieren?

Es ist natürlich nicht leicht, solche Veränderungen in die Praxis umzusetzen. Es hilft mir ungemein, dass ich mir gewisse Rituale angeeignet habe. Als Mensch, der eigentlich nicht gern plant, war das eine besonders große Herausforderung für mich. Aber ich habe gemerkt, dass Pläne und Rituale wichtig sind, dass sie Stabilität und Orientierung geben. Natürlich hatte ich früher einen Kalender, in dem sich Termin an Termin gereiht hat. Auch heute habe ich einen gut gefüllten Kalender, jedoch plane ich – über den Tag beziehungsweise die Woche verteilt – Zeit für Dinge ein, die mir guttun. So kann ich mich dann sehr viel besser auf die jeweilige Aufgabe fokussieren. Habe ich einen Kundentermin, bin ich voll und ganz in diesem Termin. Spreche ich mit Kolleg:innen, konzentriere ich mich ohne Ablenkung auf das Gespräch. Und beim Abendbrot gehöre ich ausschließlich meiner Familie. Jedenfalls bemühe ich mich darum.

Damit sagst Du dem klassischen Workaholic den Kampf an, oder?

Für mich ist der Workaholic ein Auslaufmodell, ja. Sich nur der Arbeit zu widmen, ist auf Dauer ungesund – sowohl körperlich als auch geistig. Wir müssen uns mal verdeutlichen, was uns Menschen von Maschinen unterscheidet. Es ist unsere Kreativität. Und sie kann nur sprudeln, wenn wir einen freien Kopf haben und nicht damit beschäftigt sind, Dinge stur nach Schema F abzuarbeiten. Übrigens ist Langeweile sehr wichtig für uns. Unser Gehirn hat – in Zeiten des „Dauerberieseltwerdens“ durch die Social Media, durch Werbung um uns herum oder durch unser Smartphone – kaum Zeit, Dinge zu verarbeiten und neue Verknüpfungen herzustellen. Umso wichtiger ist es, empfänglich für Impulse zu sein und mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, ganz neue Blickwinkel und Perspektiven einzunehmen. Also ja, der Workaholic, der im Hamsterrad unaufhörlich rennt und doch nie zum Ziel kommt, ist ein Relikt aus einer vergangenen Zeit. Unsere Stärke ist nun mal die Kreativität. Und dafür braucht es die richtigen Rahmenbedingungen.

Wie haben Deine Mitarbeiter:innen auf Dein neues Selbstverständnis reagiert?

Zuerst habe ich Zeit gebraucht, um das Ergebnis meiner Selbstreflexion in konkrete Handlungen umzusetzen. Das geht ja nicht von heute auf morgen. Ich habe zunächst nach Vorwänden gesucht, wenn mich meine Kolleg:innen gefragt haben, ob ich mit in die Kantine oder ins Restaurant gehe. Schließlich macht man das so. Dann bin ich auf sie zugegangen und habe ganz offen mit ihnen gesprochen. Sie akzeptieren meine Entscheidung, weil sie verstanden haben, worum es mir dabei geht. Eine transparente Kommunikation im Hinblick auf die Veränderung ist hier ganz wichtig. Sich zurückzuziehen, ohne verständliche Gründe zu nennen, wäre ein Fehler, der sicherlich Vertrauen und Teamspirit kostet. Und auch für mich persönlich war und ist es ein großer Mehrwert, dass ich mich mit meinen Kolleg:innen austauschen kann. Sie haben mir ihre Meinung zu diesem Thema gesagt – was mich wiederum zum Nachdenken angeregt hat.

Wie sind andere Menschen aus Deinem beruflichen Umfeld mit Deiner Entscheidung umgegangen?

Besser, als ich es dachte! Den größten Kampf habe ich tatsächlich mit mir selbst ausgefochten, für mein Umfeld war das dann keine große Sache mehr. Auch, weil die positiven Effekte deutlich spürbar waren: Ich konnte immer besser bei der Sache sein. Ich führe hier gern eine Flugzeug-Allegorie an. Dabei geht es mir um die Atemmaske, die im Fall eines Druckverlusts von der Decke herabfällt. Wir alle kennen den Hinweis, zuallererst selbst nach der rettenden Maske zu greifen, bevor wir uns um Kinder und andere Mitreisende kümmern. Das ist doch sehr einleuchtend: Wer selbst keine Luft mehr kriegt, kann anderen nicht helfen. Übertragen auf unseren Alltag heißt das: Wenn es mir selbst gut geht, kann ich mich viel besser um die Bedürfnisse meiner Mitmenschen kümmern.

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Deine berufliche Situation ausgewirkt?

Ich wohne nur drei Minuten vom Büro entfernt. Um ein Zeichen zu setzen, bin ich während der ersten drei Monate der Corona-Pandemie zuhause geblieben und habe komplett im Homeoffice gearbeitet. Ich habe jedoch schnell festgestellt, dass ich in meinen eigenen vier Wänden nicht die nötige Ruhe finde. Darum arbeite ich wieder in meinem Büro. Gleichzeitig ermutige ich meine Mitarbeiter:innen, sich Arbeitsumstände zu schaffen, die für sie persönlich passen und ihre individuellen Umstände geeignet sind – sei es im Homeoffice oder im Büro. Überhaupt müssen Unternehmen hier bedarfsgerechte Lösungen finden. Es wird kein Zurück mehr geben zum klassischen „Nine-to-five“ und zur Anwesenheitspflicht. Firmen sind gefordert, für sich zu definieren: Wo, wie und wann können unsere Mitarbeiter:innen am besten ihrer Tätigkeit nachgehen? Die Antworten können natürlich ganz unterschiedlich ausfallen. Mein Learning aus der Corona-Zeit: Es gibt keine allgemeingültigen Lösungen mehr. Flexibilität und Individualität sind Trumpf.

Lieber Björn, wir danken Dir herzlich für das Gespräch und Deine Offenheit!

Björn Waide ist New-Work-Vorreiter und Managing Director der Business Group „Tax & Tax Consultants“ bei der Haufe Group, wo er mit seinem Team die Steuer-Branche digitalisiert. Mit seinem Podcast „ErfolgsgeDANKE“ sowie mit Beiträgen über Themen wie Selbstwirksamkeit, agiles Arbeiten und moderner Führung prägt Björn Waide die Diskussion über Management und Bildung im digitalen Zeitalter. 2020 wurde er von LinkedIn als „Top Voice“ ausgezeichnet.

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Christian Schmitt
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