Zur Sache mit Thomas Koch: Messeabsagen wegen Corona - Was sind die Alternativen?

Das Corona-Virus stürzt auch die B2B-Branche ins Chaos, immer mehr Messen und Veranstaltungen werden kurzfristig abgesagt. Warum genau das kommunikative Chancen eröffnet und wie B2B-Entscheider die jetzt zusätzlich verfügbare Zeit sinnvoll nutzen können, erläutert Mr. Media Thomas Koch im Zur-Sache-Interview.


Zur Sache mit Thomas Koch: Messeabsagen - Was sind die Alternativen?
© Alex v. Spreti

Lieber Thomas, bedingt durch das Corona-Virus wurden und werden unzählige Messen und Veranstaltungen abgesagt. Damit verlieren Unternehmen nicht nur einen wichtigen Kommunikationskanal, sondern im Zweifel auch das bereits investierte Budget. Wie sollten Firmen in Anbetracht dieser Situation ihre Kommunikation gestalten?

Wenn man bedenkt, dass viele B2B-Unternehmen rund 40 Prozent ihres jährlichen Marketingbudgets in Messen investieren, ist schon nachvollziehbar, dass sie besorgt sind. Doch das Geld ist nicht unbedingt verloren, es ist in vielen Fällen momentan einfach nicht flüssig. Manche Messen sind gegen Ausfälle versichert, auch staatliche Hilfen sind im Gespräch. Anstatt sich über mögliche finanzielle Einbußen den Kopf zu zerbrechen, sollten Unternehmen die gewonnene Zeit sinnvoll nutzen. Mich selbst hat die Anfrage für dieses Interview in der vergangenen Woche erreicht. Zunächst musste ich ablehnen, weil ich einen straff durchgeplanten Zeitplan mit vielen Messeteilnahmen hatte. Nachdem aber alle Termine in den letzten Tagen nach und nach abgesagt wurden, habe ich nicht nur Zeit für dieses Interview, sondern auch für strategische Überlegungen. Zeit, die sonst denkbar knapp ist.

Zeit ist das wertvollste Gut in der Kommunikationswelt. Üblicherweise hetzen B2B-Entscheider von Termin zu Termin, müssen permanent in kürzester Zeit Entscheidungen treffen und haben kaum Zeit zum Durchatmen. Angesichts der jetzt verfügbaren Zeit in eine Schockstarre zu fallen und die Kommunikation herunterzufahren – davon kann ich nur abraten. Es gilt, weiterhin zu kommunizieren. Eine Veranstaltung ist immer Teil einer strategischen Marketingplanung. Eine abgesagte Messe hat auf die mittel- und langfristige Marketingplanung keine Auswirkungen, wohl aber auf begleitende Maßnahmen, wie etwa ein Mailing an Bestandskunden und neue Kontakte im Anschluss der Veranstaltung. Damit die Messeabsage keine kommunikative Lücke reißt, müssen Unternehmen jetzt analysieren, welche Rolle eine Veranstaltung für die eigene Kommunikation spielt, und die ausgefallene Messe durch andere Maßnahmen kurzfristig ersetzen. Es ist ja nicht so, dass potenzielle Kunden urplötzlich kein Interesse mehr an neuen Produkten haben, nur weil eine Veranstaltung nicht stattfindet. Unternehmen müssen ihre Zielgruppe ansprechen, und zwar jetzt. Wenn sie es nicht tun, tut es die Konkurrenz.

Wie sollten Unternehmen generell auf die Corona-Krise und Veranstaltungsabsagen reagieren? In welchen anderen Kanälen können sie ihr Budget sinnvoll einsetzen, um ihre Marketing- und Vertriebsziele zu erreichen?

Es gibt drei Kanäle, die hier geradezu prädestiniert sind. Die Veranstalter der Internationalen Tourismus-Börse Berlin (ITB) sowie der Content Marketing Conference & Exposition (CMCX) zeigen exemplarisch, was jetzt zu tun ist. Sie wandeln das geplante Programm in ein digitales Angebot um und stellen es online zur Verfügung. Diese Plattform sollten Unternehmen für sich nutzen, etwa indem sie dort ihren geplanten Vortrag als Video veröffentlichen oder im Rahmen eines interaktiven Webinars sogar das Publikum einbeziehen. Oder sie stellen vorhandene Materialien – von Produktpräsentationen bis hin zu Whitepapers – online bereit. Für die Messe haben sie diese ohnehin bereits vorbereitet. Zudem kann es ratsam sein, Interviews mit jenen Mitarbeitern zu führen, die am Messestand anzutreffen gewesen wären, zum Beispiel mit Entwicklungschefs und Produktionsleitern. Auch diese Video-Interviews können Unternehmen dann auf der Veranstaltungs-Plattform digital anbieten – inklusive einer Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Allzu viel Zeit sollten sie sich damit aber nicht lassen.

Neben diesen Plattformen ist die eigene Website ein sehr wichtiger Kanal, den viele Unternehmen unterschätzen. Speziell im B2B sind Corporate-Websites für viele Interessenten eine unverzichtbare Informationsquelle. Zu erkennen, dass der eigene Internetauftritt ein relevanter Distributionskanal ist, und dort dann dieselben Informationen wie auf Veranstaltungs-Plattformen bereitzustellen, ist in der momentanen Situation unerlässlich. Ein dritter Kanal sind analoge Fachmedien. Es zeigt sich: Wer bereits in Fachmedien wirbt, um sein Image zu verbessern und seine Marke zu pflegen, hat alles richtig gemacht. Viele Firmen haben ihre Budgets in den letzten Jahren von Print abgezogen und mehr in taktische digitale Anzeigen investiert. Diesen Unternehmen droht nun eine Unterbrechung ihrer Markenkommunikation. Denn eine Print-Kampagne lässt sich nicht von heute auf morgen durchführen, sie braucht einen Vorlauf von rund zwei Monaten. Eine ähnlich lange Vorbereitung verursacht auch eine Roadshow – eine vierte Maßnahme, die für manche eine Überlegung wert sein kann. Je nach Markt und Kaufzyklen sind Roadshows eine gute Möglichkeit, um sehr intensive Gespräche mit wenigen Kunden und Interessenten zu führen. Da sich eine Roadshow aber nicht kurzfristig veranstalten lässt, sollten Unternehmen jetzt mit der Planung und Vorbereitung beginnen – und die Veranstaltungsreihe im Sommer durchführen. Damit bis zum Herbst zu warten, ist keine gute Idee. Dann nämlich startet die nächste Messesaison.

In Krisenzeiten sparen Unternehmen zumeist als erstes am Werbe- und Marketingbudget. Warum ist das falsch? Und welche Werbemittel sind in der momentanen Situation besonders sinnvoll?

Natürlich ist es mir ein Dorn im Auge, dass die meisten Unternehmen im Krisenfall zuerst das Marketingbudget kürzen. Aber das ist nun einmal Fakt. Dennoch bin ich der Meinung, dass es falsch ist, auch in der jetzigen Situation. Eine durchdachte Marketingstrategie erstreckt sich in der Regel über ein Jahr, eine Messe ist zwar eine wichtige, aber eben nur eine Maßnahme unter vielen. Fällt die Veranstaltung aus, muss diese Maßnahme eben durch andere ersetzt werden – wie bereits beschrieben. Wer das nicht tut, hat das eigentliche Problem. Denn im Jahresverlauf bauen verschiedene Maßnahmen aufeinander auf. Fällt ein Baustein weg, geht die komplette Strategie nicht mehr auf. Darum ist es so wichtig, die Kommunikation nicht zu unterbrechen. Dabei gibt es keine Werbemittel, die jetzt besonders sinnvoll wären. Einfach weitermachen, das ist meine Empfehlung. Denn es ist doch so: Wer sich jetzt zurückzieht, den hängt die Konkurrenz ab – und die Umsätze brechen mittel- und langfristig weg. Also, liebe Marketer: Reißt euch am Riemen, nutzt die verfügbare Zeit sinnvoll und kommuniziert, was das Zeug hält!

Viele weitere Informationen und nützliche Tipps für die B2B-Kommunikation liefert unser Leitfaden: Content-Marketing im B2B. Was hat Backpulver mit Vermarktung zu tun?.

Thomas Koch (68) ist seit 48 Jahren im Media-Business tätig. Vierzehn Jahre verbrachte der Mediaplaner zunächst in namhaften Werbeagenturen, u. a. als Media-Chef bei GGK in Düsseldorf und Ted Bates Worldwide in Frankfurt. 1987 machte er sich mit „thomaskochmedia“ (tkm) in Düsseldorf selbständig. tkm wurde zur größten unabhängigen Mediaagentur Deutschlands. 2002 fusionierte er als CEO seine Agentur mit Starcom zu tkmStarcom – und damit zur siebtgrößten Mediaagentur des Landes. Nachdem Thomas Koch die Agentur 2007 verlassen hatte, stieg er 2008 in die Geschäftsleitung der unabhängigen Mediaagentur Crossmedia in Düsseldorf ein. 2010 war er Mitgründer von Plural Media Services in Berlin, die regierungsunabhängige Medien in Krisengebieten unterstützt. Seit 2011 berät Thomas Koch mit seiner Beratungsfirma tk-one Unternehmen, Medienhäuser und Agenturen. Im Herbst 2017 gründet er The DOOH Consultancy als erste Mediaagentur, die sich auf das neue Trendmedium Digital-Out-of-Home spezialisiert hat. 

Thomas Koch ist seit Jahren regelmäßiger Kolumnist für die Wirtschaftswoche und für Werben & Verkaufen. Er ist Autor der Bücher „Werbung nervt!“, „The Media Business For Pioneers“ und „Die Zielgruppe sind auch nur Menschen“. Capital bezeichnete Thomas Koch 1995 als „Profiliertesten Vordenker der deutschen Werbung“. 2004 nahm ihn Media & Marketing Europe in die Galerie der 15 Personen auf, die die europäische Werbebranche am meisten bewegt haben – zusammen mit Maurice Levy, Rupert Murdoch und Sir Martin Sorrell. 2008 wurde er beim zehnjährigen Jubiläum des Deutschen Mediapreises zur Mediapersönlichkeit des Jahres gewählt. 2011 erhielt Thomas Koch für sein Engagement in Krisengebieten von der Jury des SignsAwards die Auszeichnung als „Zeichensetzer“. 

Eine Übersicht unserer digitalen und analogen Fachmedien finden Sie in unserem Media Center.

Christian Schmitt
Christian Schmitt
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